Buchtipps
„Der Stille Krieg
Wie Autokraten Deutschland angreifen“
Reinhard Bingener, Markus Wehner
Den Politik-Redakteuren der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Reinhard Bingener und Markus Wehner gelingt es, die Methoden hybrider Kriegführung autoritärer Staaten zu analysieren und deren Methoden verständlich zu vermitteln.
Gerade Deutschland ist nach Meinung der beiden Journalisten Ziel eines umfassenden und weitreichenden Angriffs. Die hybride Kriegführung zielt dabei auf die inneren Angelegenheiten unseres Landes in der Absicht, dass entweder keine oder falsche Entscheidungen durch die Politik getroffen werden.
Fazit: So manipulieren die Akteure den „Entscheidungsalgorithmus des Gegners.“ Dies belegen sie mit vielen zusammengetragenen Beispielen.
Dieses gut lesbare Buch ist eine wertvolle Hilfe, um die Tragweite dieser Form der neuen Kriegführung zu begreifen. Bingener und Wehner prognostizieren, dass diese Art der Bedrohung in den nächsten Jahren zunehmen wird. Bereits heute würden auch kleinere autoritäre Staaten diese Methoden anwenden und es sei nicht auszuschließen, dass auch private Akteure diese modernen Werkzeuge einsetzen werden.
Diese können nur bekämpft werden, wenn die hybride Kriegführung nicht nur erkannt, sondern auch deren Strategie und Taktik verstanden wird.
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„Dreihundert Männer. Aufstieg und Fall der Deutschland AG“
Konstantin Richter
Mit diesem Buch legt der Autor eine meisterhafte Geschichte der Wirtschaftsbosse seit dem Kaiserreich vor. Eine spannende und unterhaltsame Biographie der Deutschland AG.
Unter der Deutschland AG versteht Konstantin Richter einige hundert Unternehmer und Führungskräfte, die über familiäre Netzwerke oder Beteiligungen eng miteinander verbunden waren. Sie prägten seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wesentlich die wirtschaftliche und sozialpolitische Entwicklung Deutschlands.
Den Titel des Buches hat der Verfasser von Walther Rathenau entlehnt, der schon im Jahr 1909 die Gruppe der wirklich wichtigen Entscheider des Landes auf nur 300 veranschlagte.
Dieses sehr empfehlenswerte Buch stützt sich auf das profunde Wissen der Denkweise und der strategischen Rhetorik der Entscheider, die Milliarden bewegen.
Konstantin Richter zeigt, dass während der Blütezeit der Deutschland AG die Unternehmer von den politischen Entscheidungsträgern in eine vermeintlich nationale Pflicht genommen werden konnten. Dies sei, so der Autor, heute geradezu umgekehrt.
Wenn die Börse hustet, erlahmt der zuvor empathisch vorgetragene Wille nahezu. Die global handelnden Großunternehmen sind Getriebene des Kapitalmarktes, „dessen Erwartungen sie sich nicht selten in vorauseilendem Gehorsam beugen."
Er konstatiert, dass zentrale Elemente des berühmten „Rheinischen Kapitalismus“ verloren gegangen sind: Konsensbereitschaft, Orientierung an langfristigen Zielen und der Blick für das Ganze.
Dieses Buch ist eine Art Abgesang auf eine Ära der Moderne, von der wir heute noch nicht wissen, ob sie nur eine Episode war oder zu einem zukünftigen, dauerhaften Modell werden könnte.
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„Adenauer
Dreieinhalb Leben“
Friedrich Kießling
Die Biographie von Konrad Adenauer befasst sich auf über 500 Seiten mit dem Wirken des ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland im Kaiserreich, während der Weimarer Jahre und in der Bundesrepublik. Das „halbe“ Leben zeigt die erzwungene "Tatenlosigkeit" als Zwangspensionär in der Zeit der Nazi-Diktatur.
Das faszinierende Buch verdeutlicht das Werden dieses charismatischen Politikers und der damit verbundenen Transformationen. Dazu gehört, dass Konrad Adenauer nach dem Zweiten Weltkrieg die Würde und den Wert jedes einzelnen Menschen als „Wurzel der Demokratie“ betrachtete. Ebenso wie der strikte Antikommunismus, der die innenpolitischen Auseinandersetzungen vor allem der 50er Jahre prägte und die Überzeugung, dass Deutschlands Zukunft im Schulterschluss mit Frankreich in einem geeinten Europa liegen werde.
Aufschlussreich ist auch die Beschäftigung mit dem lebenslangen Grundmisstrauen des „Alten“ gegenüber der Demokratiefestigkeit der Deutschen sowie dessen Überzeugung von der Richtigkeit der Westbindung als Erfolgsgarant des demokratischen Gemeinwohls.
Friedrich Kießling, Professor für Neuere und Neueste Geschichte, befasst sich auch in verdienstvoller Weise mit den Kontinuitäten und Brüchen in Adenauers Leben und Denken vor allem in seiner Zeit als Bundeskanzler. Diese Zeit nennt der Autor „die eigentliche Geschichte von Adenauers Leben."
Dieses Buch ist eine Pflichtlektüre für diejenigen, die sich mit der Politik als der Möglichkeit der Geschichte im Werden befassen. Dies ganz im Sinne von Golo Mann, der uns daran erinnerte, „dass derjenige, der die Geschichte nicht kennt, die Zukunft nicht in den Griff bekommen wird.“
Es gibt nun mal keine Zukunft ohne Herkunft…
Ich wünsche Ihnen viele neue Erkenntnisse und spannende Informationen beim Lesen der Bücher. Es lohnt sich.
Herzlichen Gruß
Jörg Max Fröhlich